'Vom Club der klugen Frauen'
1152 – 1165 – 2015 'Ordo Virtutum - Tanz der Kräfte'
850 Jahre Tradition der Hildegard von Bingen am Standort Eibingen
Große historische Umbrüche, wirtschaftliche wie gesellschaftliche Grenzen und Konflikte, stetes Ringen um Ämter, Rechte und Anerkennung
- 1152 hatte es für Frauen im Rheintal in sich.
Seit der ersten Jahrtausendwende durch salische Erbfolge von weltlichen Titeln und Erbrechten ausgeschlossen, waren Frauenklöster und spirituelle Gemeinschaften Oasen der Selbstbestimmung im Reich. Die kulturelle Blüte der Romanik und das begleitende Bevölkerungswachstum kamen an Grenzen. Die Stauferzeit prägten tiefe Umbrüche, große Wanderbewegungen und aufbrechende Konflikte zwischen Kirche und Staat. Aufblühende Städte und Universitäten stellten vieles in Frage. Die Aufwertung der Ehe gefährdete die Stellung der Ordensfrauen. Zur gleichen Zeit unternahm Friedrich Barbarossa als gewählter König mit seinem Gefolge den zeremoniellen Ritt um sein Land, sich huldigen zu lassen, sein Reich in Besitz zu nehmen.
Zehn Jahre zuvor hatte Hildegard von Bingen die Niederschrift des ersten Visionswerkes 'Scivias' begonnen, war fünf Jahre zuvor mit ihrem Frauenkonvent vom Disibodenberg ausgezogen auf den Rupertsberg und hatte dort lange in ungesicherten Verhältnissen gelebt.
Vor kurzem war ihre Vertraute Richardis von Stade von Bewaffneten abgeholt und Äbtissin im norddeutschen Bassum geworden, ein herber persönlicher Verlust.
1152
entstand nun, vermutlich zur Weihe der Rupertsberger Kirche, in Reaktion auf alle dies und als Zusammenfassung zentraler Aussagen und Inhalte für den eigenen Konvent der Ordo Virtutum, ein Singspiel in Musik und Wort. Das Stück erzählt den Kampf von Gut und Böse um die Seele des Menschen.
Gleich dem königlichen Hofgefolge Barbarossas, den Orden der Kreuzfahrer, den anmutigen höfischen Reigen und Tugendspielen des Minnesangs erlaubt Hildegard ihrem Konvent, in den Virtutes, Kräften, so anmutige Königstöchter wie machtvolle Kämpferinnen zu verkörpern. Die Handlung verarbeitet das Motiv des Engelssturzes, die Versuchung der Seele, den Verlust der Richardis. Das Element der Heilkunde klingt an, das Hildegard in ihrer folgenden Naturkunde begleiten wird.
1165
Nach den bürgerkriegsähnlichen Umständen einer staufischen Strafaktion vertiefte sich Bingensis Blick auf Kräfte und Schwächen. Unter kaiserlichem wie bischöflichem Schutz blieb der Rupertsberg von Plünderung verschont. Die aufgelassene Klostergründung der Marka von Rüdesheim gelangte in Hildegards Wirkungsbereich.
Die Tradition der Hildegard von Bingen in Eibingen begann.
2015
Nach 850 Jahren und einem Dutzend Spielen zeigt die Spielgemeinschaft zu Leben und Werk der Hildegard von Bingen in diesem Jahr einen besonders festlichen Ordo Virtutum als 'Tanz der Kräfte'. Die Kooperation mit den Schultheaterprojekten des Internats Hansenberg und des Rheingau-Gymnasiums Geisenheim, mit Gesangsstimmen aus Wiesbaden aus dem Rheingau stellt regionale und Zeitbezüge her, belebt das historische Spiel durch charaktervolle Darstellung, immensen Einsatz und überwältigende Spielfreude.
Allen Beteiligten, Unterstützenden und ihren Familien gilt unser Dank!
Seit Sommer 2014 konzeptionell vorbereitet, ergaben die bewährte Verbindung aus Szene und Lied, die Erweiterung des Spielansatzes um mittelalterliche Kampfkunst, die Perspektive des 'Ordo' als Schnittstelle zwischen 'Scivias' und 'Buch der Lebensverdienste' überraschende Einblicke. In der Workshop-Arbeit ähnelten sich überraschend Begriffe und Übungen aus Hildegards Weltsicht, Gregorianik und mittelalterlichem Schwertkampf und ergänzten sich sinnvoll.
Folgerichtig verwendet das Spiel 'virgae' als zentrales Requisit. Gezogene Pilgerstäbe aus Kastanienholz, im Wortstamm, 'virgines', jungen Frauen, und 'virtutes', Kräften, verwandt.
Sie waren erste Ausbildungsgeräte für Knappen und Pagen und durchaus geeignet, Wölfe wie Wegelagerer abzuwehren, und Gefährtenschaften zu beschützen.
Die musikalische Leitung übernahm Franz-Josef Oestemer als Spezialist für Gregorianik.
Die szenische Beratung erfolgte durch Christian Eckert, Spezialist für antiken wie mittelalterlichen Kampf.
Choreographie: Bharathi Avireddy
Theaterpädagogische Begleitung: Robert Seiler
Textarbeit, Produktion und Spielleitung: Bettina Gies
Es singen:
Caroline Delbasteh
Freya Gerhard
Jutta Gerhard
Nadine Mai
Astrid Scheldt
Ulrike Scheldt
Ulrike Stryck-Hartmann
Es spielen:
Bharathi Avireddy
Andrea Edel
Emely Freimuth
Bettina Gies
Natalie Herrlich
Paula Jansen
Annika Simon
Elisabetha Ramirez Sonntag
Nora Schwedler
Antonia Tolo
Nepomuk Acker
Niklas Neek
Christian Seida
Robert Seiler
Mit freundlicher Unterstützung der Pfarrgemeinden Heilig Kreuz Rheingau – Eibingen und Geisenheim und der Bürgerstiftung Unser Land! Rheingau und Taunus
Aufführungen:
Mittwoch, 16. September 2015, 19:30 Uhr. Vorabend des Hildegardistages.
Sonntag, 20. September 2015, 15:30 Uhr. Wallfahrtskirche St. Hildegard, Eibingen
Der Eintritt ist frei. Eine Spende wird erbeten. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!